Begegnungen – zwei kleine Geschichten

André

Nach Lottas letztem Krankenhausaufenthalt sind wir vier für ein paar Tage nach Holland gefahren. Wir haben wieder eine der tollen Strandhütten gebucht und die Familienzeit genossen.

Am zweiten Morgen wachte Lotta sehr früh auf. Ich hatte auch nicht gut geschlafen und so machte ich Lotta fertig, packte sie in den Kinderwagen und ging lange mit ihr spazieren.

Auf dem Weg zurück zu unserer Strandhütte, bepackt mit Brötchen, begegnete ich einem Mann. Er macht gerade Fotos vom Strand und sagte etwas auf Holländisch. Es war ein bisschen wie in einem Film.

„Tut mir leid, ich verstehe Sie nicht.“
„Ah deutsch. Ich sagte gerade nur, dass heute schönes Wetter ist.
„Ja, da haben Sie Recht. Nach dem Regen gestern, freuen wir uns heute über ein paar Sonnenstrahlen.“

Wir kamen ins Gespräch. Der Mann hieß André und war 76 Jahre alt. Er machte mit seiner Frau Urlaub.

„Wie lange seid Ihr denn schon da?“
„Seit Montag.“
„Wir fahren heute wieder nach Hause. Es ist aber nicht weit entfernt, nur eine Stunde. Wir kommen aus dem Ort Kinderdijk, der berühmt ist für seine Windmühlen. Wo kommt ihr her?
„Wir wohnen in der Nähe von Köln.“
„Da steht doch die große Kirche?“
„Ja, genau, der Dom.“
„Ach, ich brauche keine Kirche, um an Gott zu glauben.“
„Ich auch nicht, aber schön ist sie trotzdem.“
„Wie schön, du glaubst also auch an Gott?“
„Ja, das tue ich.“

André zeigte auf den Kinderwagen. „Ist das deine Tochter?
„Ja, das ist Lotta. Sie ist ein Jahr alt.“

Er strahlte und fragte weiter. „Ist mit ihr alles ok? Ist sie gesund?“

Ich stockte kurz, antwortete aber dann ehrlich und kurz. Nein, Lotta ist nicht gesund. Sie hat einen seltenen Gendefekt.“ Oft ist es so, dass den Menschen diese Information genügt, aber nicht André. Er fragte weiter und wollte alles ganz genau wissen. Ich erzählte ihm was mit Lotta los ist und auch, dass wir noch einen gesunden Sohn haben. André war betroffen, aber ganz aufrichtig. 

„Das muss schwer sein.
„Ja, das ist es manchmal. Aber wir genießen jeden Moment mit Lotta und machen uns einfach eine schöne Zeit.“
„Das ist genau richtig und irgendwann geht sie glücklich zum lieben Gott. Wir haben uns auch immer Kinder gewünscht. Meine Frau hatte damals eine Fehlgeburt. Es war schwer, aber irgendwann treffe ich meine Tochter im Himmel wieder. Ich weiß gar nicht, ob es ein Mädchen war, aber so stelle ich es mir vor und sie wird mir in die Arme laufen und Papa rufen. Und so wird es auch mit Lotta sein. Sie wird auf euch warten und dann seid ihr alle wieder zusammen

Ich musste ein wenig mit den Tränen kämpfen. André schaute auf die Uhr. „Oh je, schon 7:30 Uhr? Ich muss schnell zurück und Frühstück machen für meine Frau!“ Wir verabschiedeten uns und jeder ging in seine Richtung.

Lotta Sonnenkind

Ab und zu fuhr ich während meiner Elternzeit ins Büro um „Hallo“ zu sagen. Dort traf ich auf eine sehr liebe Kollegin, mit der ich nicht direkt zusammen arbeite. Aber wir sitzen auf einer Etage und treffen uns ab und zu auf dem Flur oder an der Kaffeemaschine. Sie ist ein sehr herzlicher und positiver Mensch. Sie begrüßte mich und fragte nach Lotta. Ich kann jetzt gar nicht mehr sagen, ob sie schon davon wusste oder nicht. Aber sie schrieb mir später, dass sie sehr berührt war von ihr und der Geschichte. 

Beim nächsten Bürobesuch, hatte sie ein Geschenk für Lotta hinterlegt. Ein selbstgestricktes Kleid von ihrer Mama. Extra in der Farbe gelb, weil die beiden Lotta immer „Sonnenkind“ nennen. Dabei lag eine Karte. Diesmal war ich gerührt.

Vor ein paar Wochen dann, besuchte ich während meiner Mittagspause das nahegelegene Einkaufszentrum. Auf dem Rückweg zum Auto traf ich sie mit ihrer Mama. Zugegeben, wir wissen nicht viel voneinander. Sie vermutlich mehr über mich, als ich über sie, aber ich habe die beiden fest in mein Herz geschlossen. Ich weiß nicht wie oft wir uns in den paar Minuten gedrückt haben. 

Auch Juli hatte vor kurzem so eine besondere Begegnung in einem Autohaus, die ihn sehr beeindruckt hat. Es ist toll, dass es Menschen gibt, die so herzlich, mitfühlend und gleichzeitig positiv sind.

2 Antworten auf „Begegnungen – zwei kleine Geschichten“

  1. Liebe Steffi, Lieber Julian und Kinder

    Ich habe vorhin durch Zufall bei Facebook von eurer Situation erfahren.
    Und weiter geklickt zu den Geschichten von Lotta – Pusteblume…
    Liebe Steffi ich bewundere dich dafür das du uns teilhaben lässt, an den traurigen und schönen Momenten von Lotta und euch als Familie.

    Ich kenne deinen Mann von der Zeit in der Kita Arche Noah..
    Das macht mich natürlich besonders betroffen und ich wünsche euch von ganzem Herzen viel Kraft und noch ganz viel schöne Momente im Leben zusammen mit Lotta!!!

    Ganz herzliche Grüße
    Natascha

  2. Wunderschöne Geschichten von einem kleinen Piratenmädchen. Und wenn man ein außergewöhnliches gewöhnliches Kind hat, macht man auch Erfahrungen mit außergewöhnlich gewöhnlichen Menschen. Ich bin tief berührt und wünschen euch noch eine außergewöhnliche lange Zeit zusammen.

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